Videoüberwachung – Arbeitnehmer erhält 15.000 € Entschädigung
30. Oktober 2025
Ein Arbeitnehmer verklagt seinen Arbeitgeber auf Zahlung von mindestens 7.000 € Entschädigung wegen unzulässiger Videoüberwachung am Arbeitsplatz. Das Arbeitsgericht gibt dem Mitarbeiter Recht und verurteilt den Arbeitgeber zur Zahlung von 15.000 €. Dieser geht in Berufung – und verliert. Wie der Fall lag, wie das Landesarbeitsgericht Hamm seine Entscheidung begründete und ob Videoüberwachung am Arbeitsplatz überhaupt rechtmäßig sein kann, steht in diesem Beitrag.
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Ein Mitarbeiter, der in der Stahlindustrie tätig war, wurde von seinem Arbeitgeber seit Januar 2023 an einer sog. Schälmaschine eingesetzt. In der Produktionshalle und in angrenzenden Räumlichkeiten hatte der Arbeitgeber aber insgesamt 34 Videokameras installiert, die 24 Stunden am Tag im Betrieb waren. Die Bilder der Kameras lieferten HD-Qualität und wurden für 48 Stunden gespeichert, ehe sie automatisch gelöscht wurden. Auch der Arbeitsplatz des Mitarbeiters wurde videoüberwacht. Die Pausen-, Umkleide- und Sanitärräume waren hingegen nicht erfasst.
Per anwaltlichen Schreiben von Dezember 2023 widersprach der Mitarbeiter der Videoüberwachung und forderte seinen Arbeitgeber auf, diese einzustellen. Dieser weigerte sich, woraufhin der Arbeitnehmer klagte. Vor dem Arbeitsgericht Dortmund verlangte der Mitarbeiter für die Videoüberwachung eine Geldentschädigung von mindestens 7.000 €. Das Arbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht und verurteilte den Arbeitgeber sogar zur Zahlung von 15.000 €. Der Arbeitgeber ging daraufhin in Berufung.
Keine Rechtfertigung für übermäßige Videoüberwachung
Das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG Hamm, Urteil vom 28. Mai 2025, Az: 18 SLa 959/24) aber bestätigte das Urteil und auch die Höhe der Geldentschädigung. Zur Begründung führte es aus, dass die „übermäßige“ Videoüberwachung einen nicht gemäß Bundesdatenschutzgesetz und DSGVO zu rechtfertigenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers darstelle. Zudem spreche die Dauer der Videoüberwachung von 22 Monaten (das Arbeitsverhältnis wurde durch gerichtlichen Vergleich zum 31. Oktober 2024 beendet), die Möglichkeit der Live-Bildübertragung in HD-Qualität und die Weigerung des Arbeitgebers, die Videoüberwachung trotz Widerspruchs einzustellen, für eine Entschädigung in Höhe von 15.000 €.
Zwar war der Arbeitgeber versucht, die Videoüberwachung damit zu rechtfertigen, dass diese zur Verhinderung und zur Aufklärung von Straftaten erforderlich sei – ein bekanntes Argument für die Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung am Arbeitsplatz. Doch konnte der Arbeitgeber dies nicht ausreichend begründen und beweisen. Da auch die anderen Zwecke der Videoüberwachung, wie zum Beispiel die Prävention von Manipulationen an den Maschinen, die Arbeitssicherheit und Auswertung von Arbeitsunfällen nicht einschlägig waren, drang der Arbeitgeber am Ende nicht durch.
LAG Hamm im oberen Bereich der Geldentschädigung
Zur Bemessung der Höhe der Geldentschädigung von 15.000 € hat das Gericht die jeweiligen Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber genau miteinander abgewogen. So sprach für den Arbeitgeber, dass die Videoüberwachung offen und nicht heimlich stattfand und dass der Mitarbeiter ihretwegen keinen disziplinarischen Maßnahmen ausgesetzt war. Andererseits spreche für den Arbeitnehmer die besonders lange Dauer der Überwachung von 22 Monaten, die Möglichkeit der Live-Überwachung, der jederzeitige Zugriff auf das Kamerasystem durch mehrere Personen sowie der – gerichtsbekannte – hohe Anpassungsdruck durch die flächendeckende Videoüberwachung in HD-Qualität.
In einem Vergleich mit anderen Gerichten liegt das Urteil des LAG Hamm daher auch im oberen Bereich der Geldentschädigung. Zum Beispiel hatte das LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urt. v. 25.5.2019, Az: 2 Sa 214/18) den Arbeitgeber für die Überwachung von Tankstellen-Angestellten durch drei Kameras für mehr als acht Monate zur Zahlung von 2.000 € verurteilt. Das Hessische LAG (Urt. v. 25.10.2010, Az: 7 Sa 1586/09) hingegen verurteilte den Arbeitgeber zu einer Entschädigungszahlung von 7.000 €, weil der Arbeitnehmer drei Monate lang dauerüberwacht wurde.
Kann Videoüberwachung rechtmäßig sein?
Das LAG Hamm begründete seine Entscheidung u. a. damit, dass der Arbeitgeber es versäumt habe, sich vor der Installation des Kamerasystems datenschutzrechtlich beraten zu lassen. Für Unternehmen und Arbeitgeber bedeutet diese relevante Feststellung, dass sie sich im Vorfeld datenschutzrechtliche Beratung einholen sollten – und sei es nur, um unter Hinweis auf das Urteil des LAG Hamm eine eventuelle Geldentschädigung versuchen zu reduzieren. Für Arbeitnehmer könnte dieser Punkt dagegen ein Argument für eine höhere Entschädigungszahlung sein.
Eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz kann aber auch rechtmäßig betrieben werden. Das gilt selbst für eine heimliche Videoüberwachung: Denn nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 20.10.2016, Az: 2 AZR 395/15) und dem LAG Nürnberg (Urt. v. 8.12.2020, Az: 7 Sa 226/20) ist eine Videoüberwachung zulässig, wenn ein konkreter Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung oder einer schweren Verfehlung zulasten des Arbeitgebers besteht und kein anderes Mittel zur Verfügung steht, das weniger stark in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer eingreift. Auch wenn die genannte Voraussetzung – Verhinderung oder Aufklärung von Straftaten oder anderen schweren arbeitsrechtlichen Verstößen – streng ist, verdeutlichen die Urteile des BAG und des LAG Nürnberg, dass eine Videoüberwachung durch den Arbeitgeber zulässig sein kann.
Fazit
Das Urteil des LAG Hamm stellt klar, dass Unternehmen und Arbeitgeber, die eine Videoüberwachung einführen und betreiben wollen, strenge Anforderungen erfüllen müssen. Andere Zwecke als die beabsichtigte Verhinderung und Aufdeckung von Straftaten oder anderen erheblichen Verstößen gegen das Arbeitsverhältnis haben es schwer, von deutschen Gerichten als Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung akzeptiert zu werden. Im Falle eines Gerichtsverfahrens ist es daher essentiell, genau darzulegen und Beweis anzubieten, dass von Arbeitnehmern eine Gefahr ausgeht, dass diese Straftaten oder erhebliche Verstöße begehen. Dem beklagten Arbeitgeber in der Stahlindustrie ist dies nicht gelungen. Wichtig ist darüber hinaus aber auch, sich im Vorfeld der Installation der Kameras datenschutzrechtlich beraten zu lassen – und diese Beratung gerichtsfest zu dokumentieren.
Sie kommen aus Kiel oder Schleswig-Holstein und haben Fragen zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz? Oder Sie kommen aus dem übrigen Bundesgebiet und möchten sich über Datenschutz im Arbeitsrecht informieren? Dann nehmen Sie gerne unter info@anwalt-daum.de Kontakt zu mir auf.
Dr. Oliver Daum
Fachanwalt für IT-Recht
Datenschutzbeauftragter (IHK)
IT-Sicherheitsbeauftragter (IHK)
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- 30.10.2025
- 08:00
