Aufwärmen beim Sport: Haftung für Kopftreffer

Vor Kurzem ist ein Urteil des Oberlandesgericht Oldenburg bekannt geworden, das es in sich hat. Beim Aufwärmen schießt ein Altherrenspieler den Fußball an den Kopf einer Frau. Dafür muss er Schadensersatz und Schmerzensgeld zahlen. Die Entscheidung wirft Fragen auf und könnte auch Folgen für andere Sportarten haben. Welche das sind und worauf Sportler beim Aufwärmen achten müssen, steht in diesem Beitrag.

Lesedauer ca. 4 Minuten (800 Wörter)
Das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG Oldenburg) hatte das umstrittene Urteil (Urt. v. 29.10.2020, Az. 1 U 66/20) bereits im Oktober 2020 ausgesprochen. Aber erst im März 2021 ist es bekannt geworden. Das OLG entschied, dass ein Altherrenspieler dafür haftet, dass er beim Aufwärmen eine anwesende, aber unbeteiligte Person mit dem Fußball am Kopf getroffen hatte. Das Besondere dabei ist: Die getroffene Person stand während des Aufwärmens neben dem Tor und hat auf Ihre Tochter gewartet.

Das OLG Oldenburg ist damit nach dem OLG Celle (zu einem Frustfoul) das zweite Gericht, das innerhalb kurzer Zeit zum Fußballrecht geurteilt hat.

Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Die klagende Mutter wollte ihre Tochter vom Hallentraining abholen. Im Anschluss an das Fußballtraining der Tochter fand das Training der Altherren statt. Die Altherren begannen sich aufzuwärmen, u. a. mit Schussübungen. Während die Klägerin im Bereich des Tores(!) wartete, wurde sie mit dem Ball am Kopf getroffen. Die Mutter verklagte den Amateurfußballer auf Schadensersatz und erhielt in 2. Instanz mehrheitlich Recht.

Das Urteil

In 2. Instanz entschied das OLG Oldenburg, dass der Altherrenspieler 70 Prozent des entstandenen Schadens und Schmerzensgeld an die Klägerin zu zahlen habe. Ein Anteil von 30 Prozent müsste die Mutter hingegen selbst tragen, da sie ein Mitverschulden treffe. Im Ergebnis treffe den Spieler die höhere Haftungsquote von 70 Prozent, da er nicht genügend Rücksicht genommen habe. Damit stellte sich das OLG Oldenburg gegen die Entscheidung des Landgerichts Cloppenburg in 1. Instanz. Das Landgericht hatte die Klage noch zugunsten des Fußballers abgewiesen.

Das Landgericht Cloppenburg hatte Folgendes geurteilt: Das Training der Altherren hatte bereits begonnen, als die Klägerin am Kopf getroffen wurde. Selbst wenn sie den Beginn des Aufwärmens nicht bemerkt haben wollte (was zu einer erhöhten Aufmerksamkeit geführt hätte), wäre dies leicht festzustellen gewesen. Denn es ist allgemein bekannt, dass Schüsse auf das Tor auch manchmal daneben gehen können. Wer sich also während des Aufwärmens einer Herrenmannschaft, so das Gericht im Ergebnis, neben das Tor stellt und vom Ball getroffen wird, handelt auf eigene Gefahr. Ein Anspruch auf Schadensersatz ist dann nicht gegeben.

Fragwürdige Begründung des OLG

Das Oberlandesgericht bewerte die Situation wie erwähnt anders. In seiner Begründung richtete es den Fokus auf den Altherrenspieler und erkannte ein Fehlverhalten. Da das Training noch nicht startete, sondern nur aufgewärmt wurde, handelte der Spieler fahrlässig. Denn er hätte besser Rücksicht nehmen müssen auf in der Halle anwesende Personen. Das OLG Oldenburg sieht also während des Aufwärmens eine erhöhte Rücksichtnahmepflicht bei Sportlern, wenn sich Nichtsportler im Bereich der Sportfläche befinden. Warum das Gericht zwischen der Aufwärmphase und der Trainings- bzw. Spieleinheit unterschieden hat, ist nicht ersichtlich.

Das Urteil wirft weitere Fragen auf (die Urteilsbegründung ist bislang nicht veröffentlicht worden). Zunächst ist unklar, ob, und wenn ja, warum der Altherrenspieler in der Aufwärmphase mehr Rücksicht hätte nehmen sollen auf anwesende Personen als in der eigentlichen Trainingseinheit. Gerade Schussübungen zur Feinjustierung gehören im Amateurbereich standardmäßig zum Aufwärmprogramm. Weiter ist offen, ob die Klägerin die einzige Nichtsportlerin auf der Sportfläche war. Wenn nein, befanden sich die anderen Personen auch im Torbereich, wodurch dem Altherrenspieler hätte klar sein müssen, dass er diese Personen hätte treffen können? Hätte der Spieler auch gehaftet, wenn ein Mitspieler getroffen worden wäre?

Folgen des Urteils

Das Urteil des OLG spiegelt die Realitäten des Sports nur im Ansatz wider und erleidet dadurch einen großen Bedeutungsverlust. Wenn sich eine Person während des Aufwärmens einer Herrenmannschaft unmittelbar in der Nähe des Tores oder zum Beispiel in der Schussbahn von Volleybällen aufhält, dann erfolgt dies auf eigene Gefahr. Es besteht im Sport generell die Gefahr von den Spielbällen und Spielgeräten getroffen zu werden. Hieraus eine überwiegende Haftung des Sportlers zu begründen, geht fehl.

Da der Sachverhalt recht einfach gelagert ist, lassen sich die Rechtsfolgen des Urteils auf andere Sportarten übertragen. In Frage kommen neben Handball und Basketball auch etwa Volleyball und Baseball – im Grunde genommen jede Sportart, bei der Spielbälle und Spielgeräte verwendet werden. Sollte dieses Urteil angenommen und verbreitet werden, müssen alle Sportler beim Aufwärmen künftig besonders vorsichtig sein.

Fazit

Das Urteil des OLG Oldenburg ist keine sportlerfreundliche Entscheidung. In Anbetracht der offen gebliebenen Aspekte, stellt sich ohnehin die Frage, ob diese Rechtsprechung zukünftig Bestand haben wird. Oder ob eine Haftungsquote von 70/30 zulasten des Sportlers nicht doch über das Ziel hinausgeschossen ist. Feststeht zumindest, dass das OLG Oldenburg eine neue Haftungsfalle für Sportler ausfindig gemacht hat.

Sind Sie Sportler oder Spieler und kommen aus Kiel oder Schleswig-Holstein? Oder kommen Sie aus dem übrigen Bundesgebiet und haben Fragen zum Schadensersatz und Schmerzensgeld im Sport? Dann nehmen Sie gerne unter info@anwalt-daum.de Kontakt zu mir auf.

Dr. Oliver Daum, Anwalt im Sportrecht

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