Vorbestraft nach Frustfoul

Wer beim Sport böse foult, handelt sich mittlerweile auch Ärger mit der Justiz ein. Letzte Woche hat das Oberlandesgericht in Celle bestätigt, dass ein Frustfoul eine Anklage wegen Körperverletzung nach dem Strafrecht mitsamt saftiger Geldstrafe nach sich ziehen kann. Sportler aller Arten sollten den Gerichtsbeschluss daher ernst nehmen, denn sie riskieren auch einen Eintrag ins Führungszeugnis. Einen Überblick zu Fouls im Sport gibt dieser Beitrag.

Lesezeit ca. 4 Minuten (850 Wörter)
Das Geschehen ereignete sich im November 2018 während eines Fußballspiels in der vierten Kreisklasse in der Region Hannover. Bei einem Stand von 1:5 setzte der verurteilte Sportler in der 80. Minute auf Höhe der Mittellinie zu einer Grätsche “mit ausgestrecktem Bein und offener Sohle” an und traf den enteilenden Gegenspieler von schräg hinten. Laut Gericht soll sich der Täter über den Rückstand und die Schiedsrichterleistung geärgert haben und sich so zu einem Frustfoul habe hinreißen lassen.

Der gefoulte Spieler erlitt einen Durchbruch des linken Waden- und Schienbeins und musste 4 Tage lang im Krankenhaus stationär behandelt werden. Zudem konnte der Gefoulte 8 Wochen lang nicht arbeiten. Ob er mittlerweile wieder Fußball spielt, ist nicht bekannt.

Saftige Geldstrafe für Frustfoul

Der Täter wurde wegen gefährlicher Körperverletzung in erster Instanz im Mai 2019 zu einer Geldstrafe von insgesamt 1.350 € verurteilt, wobei das Strafmaß bei 90 Tagessätzen lag. Zu diesem Zeitpunkt musste der Täter also noch keinen Eintrag ins Führungszeugnis befürchten. Eine Eintragung erfolgt erst ab 91 Tagessätzen Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe ab 3 Monaten.

Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Täter legten gegen das Urteil Berufung ein – aus jeweils unterschiedlichen Gründen: Für die Staatsanwaltschaft war das Urteil zu milde und für den Täter war das Urteil zu hart – er forderte einen Freispruch.

Im November 2019 erhöhte das Landgericht Hannover in zweiter Instanz das Urteil. Der Täter wurde nunmehr zu einer saftigen Geldstrafe von insgesamt 4.800 € verurteilt. Das Strafmaß lag dieses Mal bei 120 Tagessätzen. Damit war der Täter nicht nur vorbestraft, sondern es fand sich auch ein Eintrag in seinem Führungszeugnis wieder. Zwar wehrte sich der Täter erneut juristisch gegen das belastende Urteil. Doch das Oberlandesgericht Celle (Beschluss vom 18.06.2020, Aktenzeichen: 36 Ns 97/19) bestätigte die Rechtsauffassung des Landgerichts Hannover.

"Ein grob regelwidriges Foul"

Die Frage, die viele Sportler an dieser Stelle umtreibt, ist, ob ein Foul automatisch immer eine Körperverletzung nach dem Strafrecht darstellt. Diese Frage ist klar mit NEIN zu beantworten. Für eine Körperverletzung gemäß § 223 Strafgesetzbuch muss eine “körperliche Misshandlung” oder eine “Gesundheitsschädigung” gegeben sein. Bei einem Foul, wodurch der Gegenspieler beim Spiel lediglich gestört und nicht verletzt werden soll, zum Beispiel durch Trikotzupfen beim Fußball oder Umklammern beim Handball, liegt weder eine körperliche Misshandlung noch eine Gesundheitsschädigung vor. In diesen Fällen liegt zwar ein Foul nach den Regeln des Sports vor, aber keine Körperverletzung nach den Regeln des Strafrechts.

Doch selbst wenn die Schwelle zur Körperverletzung überschritten sein sollte, beispielsweise wenn der Gefoulte ärztlich versorgt werden muss und sogar ggf. für einige Spiele ausfällt, ruft dies in seltenen Fällen auch die Strafverfolgungsbehörden auf den Plan. Der Grund hierfür liegt darin, dass Sportler in Fouls, die einen gewissen Grad nicht überschreiten, einwilligen, indem sie spielen. Mit anderen Worten: Sportler sind bei Kontaktsportarten rechtlich damit einverstanden, unter Umständen gefoult zu werden, weil es zum Sport dazugehört.

Wer demnach ein Foul begeht, dass typisch für die Sportart ist (nicht die Verletzung!), bewegt sich im rechtssicheren Raum der Einwilligung. Wer jedoch vorsätzlich ein grob regelwidriges Foul begeht, wie es das Gericht vorausgesetzt hat, verlässt den rechtssicheren Raum der Einwilligung und macht sich unter Umständen strafbar. Ob ein Foul typisch oder grob regelwidrig ist, bestimmt sich nach den Regeln der Sportart und ist eine juristische Einzelfallentscheidung.

Fußballschuhe als Tatwerkzeug

Anders als beim Handball, liegt beim Fußball oftmals nicht nur eine Körperverletzung vor, sondern eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 StGB. Der Unterschied: Die einfache Körperverletzung kann eine Gefängnisstrafe bis zu 5 Jahre bedeuten, die gefährliche Körperverletzung maximal 10 Jahre Freiheitsstrafe.

Das Problem für Fußballer liegt in den Fußballschuhen. Wenn die Spieler zur Grätsche ansetzen, werden die Fußballschuhe als gefährliches Tatwerkzeug gewertet. Der rechtliche Hintergrund dieser Regelung ist allerdings außerhalb des Sports zu finden. Ein Opfer, dass vom Täter mit Tritten malträtiert wird, könnte höhere Verletzungen davontragen, wenn der Täter dabei Turn- oder Arbeitsschuhe trägt als wenn er barfuß zutritt.

Grätscht also ein Fußballer einen Spieler um – auch aus der eigenen Mannschaft – und ist dieses Foul sportartenuntypisch und grob regelwidrig, ist die Grätsche nicht von der Einwilligung des Gefoulten gedeckt und es kommt eine gefährliche Körperverletzung in Betracht.

Folgen des Frustfoul-Urteils für Sportler

Zunächst ist festzuhalten, dass das Urteil nicht nur den Fußball betrifft, sondern im Kern auf alle anderen Kontaktsportarten übertragbar ist. Erforderlich ist einzig, dass die betreffende Sportart nach anerkannten Spiel- und Sportregeln ausgeübt wird. Dies dürfte zumindest bei allen Sportarten der Fall sein, die im Deutschen Olympischen Sportbund organisiert sind.

Zudem macht das Urteil deutlich, dass der lange Arm der Justiz auch in den ansonsten autonomen Sport hineinragt. Sportler, die eine erhebliche Verletzung ihrer Gegenspieler in Kauf nehmen, müssen nicht nur mit sportdisziplinarischen Folgen (zum Beispiel Spielsperre) rechnen, sondern auch mit zivilrechtlichen (Schadensersatz, Geltendmachung der Behandlungskosten durch die Krankenversicherung etc.) sowie strafrechtlichen Konsequenzen. – Der Sport ist kein rechtsfreier Raum (mehr)!

Sind Sie Vereinsverantwortlicher oder Sportfunktionär und kommen aus Kiel oder Schleswig-Holstein? Oder kommen Sie aus dem übrigen Bundesland und haben Fragen zum Strafrecht im Sport? Dann nehmen Sie gerne unter info@anwalt-daum.de Kontakt zu mir auf.

Dr. Oliver Daum, Anwalt im Sportrecht

Auch interessant: Aufwärmen beim Sport: Haftung für Kopftreffer

Share on email
Share on whatsapp
Share on twitter
Share on xing

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Scroll to Top